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Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ab 2023 - Landwirt übt Kritik: weniger Geld, mehr Auflagen?

Stadtgeschehen
  • Erstellt: 07.07.2022 / 15:30 Uhr von cl
Wie wir gestern [hier] berichteten, treffen sich aktuell die Amtschefs der Landwirtschaftsministerien zu einer Sonderkonferenz. Um an der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) teilhaben zu können, müssen landwirtschaftliche Unternehmen zahlreiche Vorgaben einhalten. Mehrere Gesetze und etliche Verordnungen regeln die Details. Bisher sind jedoch noch nicht alle Vorgaben für die Zeit ab 2023 bis 2027 klar und mehrere systemkritische Punkte sind laut Sachsen-Anhalts Bauernverband noch ungeklärt. Der Deutsche Bauernverband fordert in diesen Tagen Klarheit und Planungssicherheit für die Agrarunternehmen. Wir haben deshalb mit Landwirt Patrick Wolter aus Parchen gesprochen und seine Sicht auf die aktuelle Situation für euch erfragt:

Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht vor allem den Faktor Zeit als ausschlaggebend an: „Die Landwirte brauchen für die Anbauplanung 2022/23 und die anstehende Herbstaussaat dringend Klarheit über die Kriterien der GAP-Forderung ab 2023, insbesondere bei der Konditionalität und den Eco Schemes. Die EU-Kommission hat in ihrem „Observation Letter” in sehr vielen Details Klärungen bzw. Änderungen angemahnt. Damit droht ein längerer Verhandlungsprozess. Der DBV bittet den Bund und die EU-Kommission nachdrücklich um eine definitive Aussage, wann die Verhandlungen um den GAP-Strategieplan abgeschlossen sein werden. Alle erreichten Klärungen sind sofort den Landwirten bekannt zu geben, auch schon vor einer formalen Genehmigung“, fordert der Bauernverband in einem offiziellen Statement.

Sollte spätestens am 1. September keine abschließende Klärung aller Förderdetails vorliegen, so der Bauernverband, sei ein Inkrafttreten zum 1. Januar 2023 für die Landwirte nicht mehr zumutbar. Für diesen Fall müsse die EU-Kommission ein Verfahren für die Verlängerung der bisherigen GAP-Förderung um ein weiteres Jahr einleiten.

Bauernverband fordert: „In der aktuell angespannten Agrarmarktsituation muss eine zusätzliche Verunsicherung der Landwirte wegen unklarer GAP-Förderbedingungen unbedingt vermieden werden“
Verunsicherung herrscht aktuell in der Region jedoch eine Menge. Patrick Wolter, Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Hohenseeden-Parchen, kritisiert die aktuellen politischen Planungen: „Zum einen kriegen wir deutlich weniger Geld im Gesamten für mehr Auflagen, zum anderen haben wir die Möglichkeit das finanziell auszugleichen, wenn wir weniger machen, also bestimmte Prozente der Betriebsfläche brach liegen lassen, wo wir gar nichts machen. Keine Nahrung, kein Futter. Wir werden da hingedrückt, dass wir weniger machen, dass wir ansatzweise wirtschaftlich leben können, weil wir für unsere Produkte nicht genug Geld kriegen“.

Der Deutsche Bauernverband fordert aktuell die Aussetzung der Fruchtwechselpflicht. „Damit kann geschätzt eine Erzeugung von 500.000 ha Weizen aufrechterhalten werden, dies entspricht ca. 4 Mio. Tonnen Weizen in Deutschland“, heißt es im Statement. Zudem fordern sie die Aussetzung der 4% Pflichtbrache, auf die auch Patrick Wolter anspielt. „Im Ergebnis dürfen keinesfalls zusätzliche Flächen stillgelegt werden müssen. Dies könnte mit einem niedrigeren Satz von ca. 1,5 bis 2 % gewährleistet werden“, so der Bauernverband.

Fachlich notwenige Ausnahmeregelungen
Der DBV tritt den Wünschen der EU-Kommission nach weiteren Verschärfungen in der Konditionalität aktuell entschieden entgegen. Genauer positioniert sich der Bauernverband so: „Das betrifft Überlegungen zur zeitlichen Ausdehnung von Bewirtschaftungsverboten und Einschränkungen ackerbaulich unerlässlicher Pflegemaßnahmen ebenso wie die grundsätzliche Kritik der EU-Kommission an den Länderklauseln, die für eine regional praktikable Umsetzung durch die Landwirte unverzichtbar sind“.

Der Verband fordert unter anderem praxistaugliche Ausnahmen von der Mindestbodenbedeckung im Winter, z.B. bei Zuckerrüben, Körnermeis oder Braugerste, die Streichung der Selbstbegrünungspflicht, keine weiteren Bewirtschaftungseinschränkungen in Feuchtgebieten und die Ermöglichung von ackerbaulich etablierten und ökologischen Fruchtfolgen.

Patrick Wolter wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich auf die klassische Landwirtschaft konzentrieren. „Das ist Mais und Getreide. Die Politik will, dass wir weniger machen, also machen wir auch weniger. Das bedeutet auch, dass wir weniger Personal brauchen. Das eine führt zum anderen. Weniger Personal, weniger Lohnsteuer für den Staat“. Und er ergänzt durchaus kritisch: „Gerade mit den Sonderkulturen ist es schwierig geworden. Die gute landwirtschaftliche Praxis ist nicht mehr gefragt, sondern nur noch politischer Irrsinn“

Landwirte in Bedrängnis: Billig-Exporte graben regionalen Produkten „das Wasser ab“ – Sparten werden eingestellt
In der Agrargenossenschaft Hohenseeden-Parchen stehen nun weitreichende Veränderungen an, wie Geschäftsführer Patrick Wolter berichtet: „Die Erdbeeren werden eingestellt, weil zu viele Billigprodukte aus dem Ausland kommen, sodass wir die Erdbeeren nicht für den Preis verkaufen können, den wir bräuchten um produktiv zu sein. Ab Oktober haben wir 12€ Mindestlohn. Der haut beim Spargel rein und auch bei anderen Produkten. Da kann ich keine regionalen Produkte anbauen. Wenige Menschen können oder wollen sich regionale Produkte leisten. Den Mindestlohn müssen wir für alle zahlen, für feste Mitarbeiter und Aushilfen“. Wolter beschäftigt in diesem Jahr rund 35 feste Mitarbeiter und 60 Saisonkräfte.

Die Erdbeeren werden im kommenden Jahr den Umständen entsprechend nicht mehr angebaut. Auch der Hohenseedener Spargel, der weit über die Grenzen der Region bekannt ist, wird nach Aussagen von Patrick Wolter 2023 vermutlich nur noch „ein bisschen“ angebaut. Die Entscheidung hält der Geschäftsführer sich derzeit noch offen, bis klar ist, was politisch noch passiert. Trotz starker Bemühungen des Bauernverbandes: große Hoffnungen in die GAP ab 2023 setzt Wolter nach eigenen Aussagen nicht. Die beliebten Heidelbeeren sind im Anbau mit weniger Arbeitsaufwand verbunden. Anfang Juli ist die Saison gestartet. Auch hier will Patrick Wolter abwarten. Die Chancen, dass diese auch im kommenden Jahr angebaut werden, stünden aber deutlich besser.

Die Landwirte müssen die aktuell unklare Planung nun aussitzen und die Verhandlungen abwarten. Das bestätigt uns auch Thomas Seeger, Geschäftsführer der Agrar-Gesellschaft Börde in Rottmersleben. Er habe die komplexe Thematik bislang nur teilweise verfolgt. „Wir müssen abwarten, was nun kommt“, so Seeger.

Wir bleiben für euch am Thema dran und berichten, sobald es neue Infos zur GAP ab 2023 gibt!

Bilder

Archivbild: Patrick Wolter, Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Hohenseeden-Parchen.
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