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Baumsterben in Sachsen-Anhalt: Wie ist die Lage im Jerichower Land?

Stadtgeschehen
  • Erstellt: 01.08.2020 / 07:11 Uhr von cl
Das Baumsterben in Sachsen-Anhalt schreitet immer weiter voran. Die Gründe dafür sind vielfältig. Der Klimawandel stellt viele Baumarten vor große Herausforderungen. Wie Leser uns berichteten, kommt es bei Blumenthal zu vermehrtem Sterben von Pappeln. Wir haben uns daraufhin für euch beim Betreuungsforstamt Nedlitz nach der Lage in Sachen Baumsterben im Jerichower Land erkundigt:

Forstamtsleiter Detlef Radtke berichtet im Gespräch mit dem Meetingpoint über die derzeitige Situation der Bäume im Jerichower Land:

Meetingpoint JL: Wie hoch ist das Baumsterben in Sachsen-Anhalt bzw. speziell im Jerichower Land?

Detlef Radtke: Die Bäume im Jerichower Land stehen unter einer extrem angespannten Situation. Durch die Trockenjahre 2018 und 2019 hatten wir weit unterdurchschnittliche Niederschlagsmengen. Die Grundwasserspeicher haben sich seitdem nicht wieder auffüllen können. Oft folgen nach solchen Stressjahren sogenannten Mastjahre. Das heißt, die Waldbäume wie Eichen und Buchen setzen Frucht an, wenn dann im Herbst der Waldboden mit den Eicheln und Bucheckern zahlreich bedeckt sind, handelt es sich um ein Mastjahr.

Früher hatten wir so etwas alle 10-12 Jahre. Der Stress für die Bäume entsteht durch die vermehrten Trockenjahre. Die Bäume versuchen damit quasi, rasch noch Nachkommen zu erzeugen, damit noch etwas von ihnen bleibt, falls sie absterben sollten. Fazit: Bedingt durch den Klimawandel ist das Baumsterben viel höher als noch vor 30 Jahren.

Meetingpoint JL: Leser berichteten uns von sterbenden Pappeln bei Blumenthal, was können Sie dazu sagen?

Detlef Radtke: Die Pappeln leben dort unmittelbar neben der Elbe von dem Grundwasserstand, den die Elbe selbst direkt beeinflusst. Wahrscheinlich standen sie zu lange trocken da und da die Pappeln noch recht jung sind, hielten sie das nicht aus. Die Klimaausprägung ist dieses Jahr besser. Es ist nicht so heiß und etwa einmal die Woche gibt es mindestens ein wenig Regen. Der Grundwasserkörper ist damit aber noch lange nicht wieder aufgefüllt. Pappeln werden außerdem nicht besonders alt. Die Lebenserwartung liegt bei etwa 40 Jahren, bevor die Holzentwertung einsetzt, abhängig davon, welche Pappelklone verwendet wurden.

Meetingpoint JL: Woran liegt es, dass das Baumsterben immer weiter voranschreitet?

Detlef Radtke: Das hängt vor allem mit Frühjahrs- und Sommerdürreperioden zusammen. Aber auch wenn es ganzjährig immer wärmer und trockener wird, verursacht das hohen Stress für die Bäume. Durch die Trockenjahre 2018/2019 hat sich ein gewaltiges Niederschlagsdefizit aufgebaut. Das Wetter wird immer wärmer, die Grundwasserstände wurden bisher nicht wieder aufgefüllt und die künftigen Niederschlagsmengen sind unsicher – all das trägt maßgeblich zum Baumsterben bei.

Meetingpoint JL: Welche Baumarten sind besonders betroffen und warum?

Detlef Radtke: Alle Bäume, die nicht standortgerecht gepflanzt sind, sind zuerst betroffen. Dazu zählen z.B. Fichten, die gehören gar nicht ins Tiefland. Die Lärche ist ein Baum des Hochgebirges und diese wachsen hier schnell, aber sie sind an die Bedingungen hier nicht angepasst. Insekten, wie der Borkenkäfer, tun ihr Übriges. Birken wiederum halten den Wasserstress nicht aus und gehen schnell kaputt. Die Hauptbaumart in unserer Region ist die Kiefer. Kiefern sind duldsam bei Dürre und Hitze. Im Fläming wird auf den etwas nährstoffreicheren Standorten das Waldbild vielerorts auch durch Buchen und Eichen bestimmt.

Leider haben sich zunehmend Schadorganismen, wie zum Beispiel Misteln und auch für die hiesigen Naturräume neuartige Pilze verbreitet (Stichwort Diplodia Triebsterben bei Kiefern), die den Bäumen die Nährstoffe entziehen. Wenn die Vitalität des Baums durch die Parasiten eingeschränkt wird, kann er sich irgendwann nicht mehr wehren. Die Bäume leben gerade von Reserven, die sie in den vergangenen Trockenjahren einfach nicht mehr auffüllen können.

Meetingpoint JL: Welche Gegenmaßnahmen werden seitens des Landeszentrums Wald für die Region Jerichower Land ergriffen, um das Baumsterben aufzuhalten?

Detlef Radtke: Das Klima verändert sich – auch wir als Betreuungsforstamt Nedlitz können dem kaum etwas entgegensetzen. Wälder können nicht künstlich beregnet werden. Woher das Wasser nehmen? Wasser ist in diesen Zeiten ein knappes Gut. Das Land stellt Fördermittel zum Waldumbau zur Verfügung. Es geht dabei darum, standortgerechte Laub- und Nadelbäume in Mischwäldern anzupflanzen bzw. auch über Naturverjüngung zu begründen, die mit den Bedingungen der jeweiligen Regionen zurechtkommen.

Für ganz schwache Sandstandorte ist z.B. die Robinie von Vorteil. Ein Problem ist auch, dass der Forstwirtschaft im Tiefland Sachsen-Anhalts für den Waldumbau zu mehr Naturnähe häufig nur die weniger nährstoffhaltigen Böden für solche Vorhaben zur Verfügung stehen, da die besseren Böden seit alters her für die Landwirtschaft verwendet werden und die Landwirte diese natürlich selten für die Anlage von Wald abgeben.

Das Betreuungsforstamt berät Waldbesitzer. Es wird geprüft, auf welchen Flächen und mit welchen Baumarten der Anbau naturnaher Laub- und Mischwälder möglich ist. Es gilt dabei gegen Monokulturen anzukämpfen. Die Betreuungsforstämter des Landeszentrum Wald unterstützen die Waldbesitzer durch eingehende Beratungen, werden aber auf der Basis abgeschlossener Betreuungsverträge auch konkret für Waldbesitzer hinsichtlich des Umbaus vorhandener Nadelbaumreinbestände zu standortgerechten Laub- und Mischwäldern tätig.

Bilder

Foto: Leserin Heike
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