Logo

Feuerwehrvorstellung: Die Gemeindefeuerwehr Biederitz

Theater
  • Erstellt: 27.07.2020 / 06:15 Uhr von cl
In unserer Vorstellungsreihe werfen wir einen Blick in die Feuerwehren im Jerichower Land. Es geht um ihre Einsätze und Erlebnisse, aber auch um kritische Themen, wie Aufwandsentschädigungen und Wertschätzung der Arbeit. Heute stellt sich die Gemeindefeuerwehr Biederitz vor. Gemeindewehrleiter Carsten Kiwitt gibt euch dafür interessante Einblicke in die Arbeit der Feuerwehr:

Meetingpoint JL: Seit wann besteht die Feuerwehr und wie viele Mitglieder (einschließlich Kindern, Jugendlichen, Alters- und Ehrenabteilung) hat sie derzeit?

Carsten Kiwitt: Die Feuerwehr der Gemeinde Biederitz ist im Zuge der kommunalen Gebietsreform in Sachsen-Anhalt aus den ehemals selbstständigen Gemeinden Biederitz, Gerwisch, Gübs, Königsborn und Woltersdorf am 01. Januar 2010 entstanden. Die Gemeindefeuerwehr zählt in etwa 350 Mitglieder, davon 70 in den Alters- und Ehrenabteilungen, 60 Kinder, 58 Jugendliche. Dier überwiegende Teil der Mitglieder, ganze 160 leisten Einsatzdienst in sechs Ortsfeuerwehren. Hinzu kommen noch einige Mitglieder, die ihren Dienst in der aktuell jüngsten Abteilung (Wasserwehr) leisten. Diese wird gerade in die Gemeindefeuerwehr eingegliedert, sodass im Bedarfsfall weitere Mitglieder, insbesondere im Wachdienst, eingesetzt werden.

Meetingpoint JL: Wie viele Einsätze hattet ihr 2020 bereits und wie viele waren es im Vergleich dazu in 2019 im gleichen Zeitraum?

Carsten Kiwitt: In 2020 wurden bisher 50 Ereignisse abgearbeitet, im direkten Vergleich waren es im gleichen Zeitraum 2019 nur 28. Rechnet man allerdings die Alarmierungen der einzelnen Ortsfeuerwehren zusammen, kommt man auf stolze 89 Einsätze (OF Biederitz = 31; OF Gerwisch = 26; OF Gübs = 4; OF Heyrothsberge = 16; OF Königsborn = 6; OF Woltersdorf = 6).
2019 gab es eine Alarmierung für die im Katastrophenschutz mitwirkenden Einsatzkräfte. Eine notwendige Hilfeleistung in Haldensleben, wo der Fachdienst ABC tätig wurde.

Meetingpoint JL: Gab es besondere Einsätze und Situationen, die euch im Gedächtnis geblieben sind?

Carsten Kiwitt: Ja, natürlich. Manche Einsätze bleiben lange in Erinnerung, nicht immer die größten aber die belastenden. Vielfach mussten Personen aus Zwangslagen gerettet werden, hierbei konnte jedoch auch die Feuerwehr in einigen Fällen nicht mehr als Lebensretter auftreten. Aber auch positive Erinnerungen bleiben lang erhalten. Kürzlich galt es in Folge eines kurzen, aber sehr heftigen Unwetters, mehr als zwanzig Schadensstellen zu koordinieren und abzuarbeiten und dies nur in etwa drei Stunden. Im letzten Jahr waren der Feldbrand an der Bundesstraße 1 neben dem Großbrand im Parkweg der Ortschaft Heyrothsberge sicher die körperlich anstrengendsten Einsätze.

Meetingpoint JL: Welche besonderen Traditionen gibt es in eurer Feuerwehr?

Carsten Kiwitt: Die Gemeindefeuerwehr ist eine recht junge Feuerwehr, daher ist der Begriff „Tradition“ vielleicht noch nicht ganz so passend.
Unsere Feuerwehr bietet aber regelmäßig gemeinsame Ausbildungen für die Einsatzkräfte an. Mindestens einmal im Jahr wird ein Thema sehr intensiv und tiefgründig behandelt, so 2020 die neue Digitalfunktechnik, 2019 die Löschwasserversorgung, 2018 der Atemschutzeinsatz, 2017 die schwere technische Hilfeleistung im Bereich der Eisenbahn und beispielsweise 2016 die Bekämpfung von Vegetationsbränden.

Für die Kinder und Jugendefeuerwehr wurden gemeinsame Sommerfeste, Tagesfahrten oder auch Weihnachtsfeiern veranstaltet.
Die Alters- und Ehrenabteilung war bisher jährlich auf einer kleinen Ausflugstour zur Berufsfeuerwehr nach Magdeburg, unserer Integrierten Leitstelle nach Burg oder auch zur Feuerwehrtechnischen Zentrale des Landkreises Jerichower Land.

Die Einsatzkräfte treffen sich jährlich zum Gemeindeausscheid im Löschangriff nass auf Zielgeräte mit Tragkraftspritzen aus DDR-Produktion.

Meetingpoint JL: Welche Veranstaltungen stehen/ stünden theoretisch dieses Jahr noch an?

Carsten Kiwitt: Eine gemeinsame Ausbildung aller Führungskräfte steht im letzten Quartal noch an, hier soll eine weiterführende Einweisung in das genutzte Feuerwehrverwaltungsprogramm erfolgen. Es wird auch eine Alarmübung geben, wo die Einsatzkräfte quasi überrascht werden und unter realen Einsatzbedingungen an einem Schwerpunktobjekt trainieren können.

Meetingpoint JL: Was wünscht ihr euch für die Zukunft eurer Feuerwehr (Ausstattung, Mitglieder, Veranstal-tungen)? Welche Hürden muss die Feuerwehr in Zukunft nehmen?

Carsten Kiwitt: Feuerwehr war und ist kein Wunschkonzert. Wenn Bedarf vorhanden ist, dann gilt es diesen auf Grundlage geltender Gesetze und Verordnungen anzupassen. Es ist unumstritten, dass die Feuerwehr in zehn Jahren anders aussieht, daher kann man heutzutage natürlich mitgestalten oder man wird gestaltet. Als Gemeindewehrleiter sehe ich weiterhin den Bedarf einer guten Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen.

Angefangen bei den Ortsfeuerwehren untereinander bis hin zur Gemeindeverwaltung und anderen im Bereich der Gefahrenabwehr tätigen Organisationen. Den Anteil an unter umluftunabhängigem Atemschutz einsetzbaren Einsatzkräften müssen wir von derzeit etwas über einem Viertel deutlich erhöhen. Unsere Ausrüstung und Einsatzfahrzeuge sind angemessen, müssen aber perspektivisch erneuert werden. Bei fast zwanzig Fahrzeugen ist das nicht einfach, insbesondere da seit 2010 nur zwei Neubeschaffungen getätigt wurden. Bei den Feuerwehrgerätehäusern gibt es wenige, aber akute Unzulässigkeiten auszubessern.

Meetingpoint JL: Wie ist eure Feuerwehr auf die bevorstehenden warmen Sommermonate und möglicherweise häufigere Feuerwehreinsätze vorbereitet?

Es ist nicht neu, dass im Sommer mehr Vegetationsbrände abzuarbeiten sind, als noch vor einigen Jahren. Die Trockenphasen beginnen heutzutage schon ziemlich früh und reichen oftmals bis in den Herbst. Vegetationsbrände sind ein Teil des Feuerwehralltages, daher sind zwei unserer sechs Ortsfeuerwehren auf diesem Gebiet intensiver ausgebildet und ausgestattet. Sie wirken bei Bedarf auch überörtlich im Katastro-phenschutz mit und stellen den Großteil des Zuges Brandbekämpfung.

Dadurch verfügen sie über weitreichende Erfahrungen aus den großen Waldbränden der letzten Jahre in Sachsen-Anhalt und dem Land Brandenburg. Alle Einsatzkräfte verfügen über relativ leichte und atmungsakti-ve Einsatzbekleidung, diese sind an den aktuellen Stand der Technik angepasst.

Meetingpoint JL: Inwiefern fühlt ihr euch ausreichend vom Land Sachsen-Anhalt unterstützt?

Carsten Kiwitt: Es ist hier nicht die richtige Plattform, um als Ehrenamtlicher dazu eine Einschätzung vorzunehmen. Die Thematik „Feuerwehr“ ist eine Pflichtaufgabe der Kommune, die sie vollumfänglich und unverzüglich zu leisten hat. Unser Hauptverwaltungsbeamter (Bürgermeister) kann die Frage sicher besser beant-worten, beispielsweise ob er mit seinen zur Verfügung stehenden Finanzen ausreichend ausstatten kann.

Meetingpoint JL: Wird der Aufwand der Feuerwehren ausreichend vergütet? Oder wo fehlt es an Geld? Bei der Bezahlung z.B. der Einsätze oder bei der Feuerwehrausstattung?

Carsten Kiwitt: Wir leisten ehrenamtlich Dienst in einer Freiwilligen Feuerwehr, ich persönlich tue es aus per-sönlicher Überzeugung. Einzelne Tätigkeiten werden auch in der Gemeinde Biederitz entschädigt. Dieser Ausgleich ist kein Arbeitsentgelt, sondern Auslagenersatz für Wege und notwendige Fahrten, Telefonate und ein wenig Reinigung persönlicher Bekleidung, welche immer mit dabei ist. In besonderen Funktionen, z.B. als Ortswehrleiter oder Gerätewart, ist dieser natürlich ein wenig höher. Ein flächendeckend bezahltes Feuerwehrwesen ist in Deutschland aus meiner Sicht derzeit unvorstellbar.

Vielleicht meinen Sie ja die Wertschätzung und Anerkennung mit „vergütet“, was meiner Meinung nach stark ausbaufähig ist. Anders kann ich mir nicht erklären wie die Thematik „Feuerwehr“ überwiegend aus politischen Ebenen gesteuert wird und ehrenamtlich Tätige der Feuerwehr als Bittsteller auftreten müssen. Ebenso zähle ich hier zugeparkte Stellflächen und Anfahrtswege der Feuerwehr hinzu. Es ist Alltag in unserem Tun und hierzu zähle ich nicht nur die Rettungsgassen auf Kraftfahrstraßen und Bundesautobahnen. Insgesamt fehlt es aus meiner Sicht an Respekt gegenüber der Feuerwehr.

Bilder

Foto: Feuerwehr - Gemeinde Biederitz: 2015-09-19 Gemeinsame Ausbildung Hochwasserschutz
Dieser Artikel wurde bereits 2.532 mal aufgerufen.

Werbung