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Nutria-Ausbreitung in Burg: Welches Schadpotenzial haben die Tiere wirklich?

Stadtgeschehen
  • Erstellt: 27.06.2020 / 11:19 Uhr von cl
Vergangene Woche sorgte eine Neuigkeit in Burg für Aufregung: ein ehrenamtlicher Stadtjäger wird berufen, der sich in Zukunft unter anderem um die schnell voranschreitende Ausbreitung von Nutrias im Flickschupark kümmern soll. Wir berichteten: [Klick].

Wie die Stadtverwaltung mitteilte, seien diese Schritte nötig, um größere Schäden im Park und rund um den Flickschuteich zu verhin-dern. Aber wie groß ist überhaupt das Schadpotenzial von Nutrias? Wir haben uns für euch bei der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF und beim Naturschutzbund danach erkundigt:

Nutrias stammen ursprünglich aus Südamerika und kommen mittlerweile in fast allen deutschen Fluss- Systemen und Einzugsgebieten, inklusive deren Seen, wildlebend vor. Wie die Organisation WWF mitteilt, ist in Deutschland das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Bonn damit beauftragt, eine Durchführungsverordnung der Europäischen Union in Bezug auf Wildtiere umzusetzen. Wie das BfN bestätigt, gehen von Nutrias keine nachteiligen Auswirkungen für die Gesundheit des Menschen aus. Dennoch haben sie ein gewisses Schadpotenzial, wie Marina Frenz von der Um-weltorganisation WWF erklärt:

Hohe Schäden der Vegetation

„Der Fraß an Ufer- und/ oder Unterwasserpflanzen durch Nutrias hat gebietsweise erhebliche Auswirkungen. In bestimmten Fällen können Nutrias die Etablierung und Wiederausbreitung von Röhrichten verhindern. Ufergehölze werden nur in sehr geringem Umfang geschädigt. Allerdings kann die Nutria, ähnlich dem Bisam, die lokalen Populationen von Großmuscheln gefährden“, er-klärt Marina Frenz.

Auch der Naturschutzbund Sachsen-Anhalt (NABU) schätzt das Schadpotenzial der Nutrias als er-heblich ein, da sie sich wesentlich schneller vermehren als ihre Nahrungskonkurrenten, die Elbebi-ber. „Viel gravierender ist aber die Beeinträchtigung naturnaher Gewässer durch teilweise massive Zerstörung der Vegetation in und am Gewässer. Die Nutrias können einige Pflanzenarten bis zur völligen Beseitigung zurückdrängen“, erläutert Naturschutzreferent Marcel Otte. In der westlichen Altmark gebe es bereits Abschussprämien an Gräben, da die Nutrias dort die Population der stark gefährdeten Bachmuschel immer weiter verkleinern.

Maßnahmen zur Eindämmung der Nutriaverbreitung

Das Bundesamt für Naturschutz schlägt verschiedene sogenannte Managementmaßnahmen vor, um die Population der Nutrias konstant zu halten. Die Nutriabestände haben sich in den Jahren 2006 bis 2016 in Deutschland verdoppelt. Zu den Maßnahmen zählt unter anderem eine Bestands-kontrolle zum Schutz gefährdeter, schutzwürdiger Großmuschel-, Röhricht- und Wasserpflanzen-bestände.

„Beim Fallenfang sollten Fallenmelder eingesetzt werden, die eine elektronische Benachrichtigung z. B. via Smartphone ermöglichen. Die Bejagung ist möglich, soweit über die Jagdgesetze der Län-der zugelassen, erfordert aber die Bereitschaft und freiwillige Mitwirkung des Jagdausübungsbe-rechtigten“, erläutert Marina Frenz von der WWF die Regelungen.

Füttern im Flickschupark verboten

Die Stadt Burg hatte Ende Mai dieses Jahres per Amtsblatt verfügt, dass das Füttern von Wildtieren jeglicher Art im Bereich des Flickschuparks ab sofort verboten ist. Eine solche Maßnahme hält auch das BfN für angebracht. Durch die ständige Präsenz des Nutrias in Stadtgebieten, erfreuen sich diese mittlerweile großer Beliebtheit und werden häufig und ausgiebig gefüttert und gestreichelt. Die Fütterung fördert jedoch die rasante Verbreitung der Tiere.

„Durch Aufklärungsmaßnahmen der Bevölkerung kann dies eingeschränkt und vielleicht vollständig verhindert werden. Damit kann ein Anwachsen der Populationen eventuell verlangsamt werden“, erklärt Marina Frenz. Informationstafeln, die die Gründe erklären, warum das Füttern der Tiere unterlassen werden sollte, würden am Sinnvollsten sein, meint die Sprecherin.

Kein Schutz für Nutrias nötig

Viele Burger reagierten nach unserem Beitrag zur Berufung des Stadtjägers mit Unverständnis. Das sei keine Jagd für den Stadtjäger und die Nutrias seinen zahm und damit wehrlos, meinten einige Leser. Andere meinten, man müsse die Tiere erhalten, da sie doch auch niemandem etwas tun. Auf Nachfrage beim NABU erklärt Naturschutzreferent Marcel Otte:

„Man muss gar nichts für die Erhaltung und den Schutz der Nutrias tun. Niemand wird sie hier noch ausrotten können. Sie vermehren sich schneller und mehr als es für die Natur verträglich ist. Ihre Bekämpfung ist dort, wo sie Schäden verursachen, unbedingt richtig und wichtig. In allen übrigen Teilen des Landes sollte man eine intensive Nutzung der Tiere durch gezielten Abschuss und/ oder Fang anstreben, um ihre Vermehrung zumindest im Rahmen zu halten“, so Otte.

Nutriafleisch als Nahrungsmittel

In früheren Jahren sei Nutria-Fleisch in wesentlich größerem Umfang gegessen worden. Man züch-tete Nutrias als Lieferant von Pelzen und nutzte das Fleisch für die Ernährung, da es ähnlich dem Kaninchenfleisch ist. Eine Empfehlung wäre es, mehr Nutria-Fleisch zu essen, statt Schweinefleisch aus Intensivhaltung, meint Marcel Otte. Die Nutzung der Nutrias für die Ernährung sei eine Mög-lichkeit nachhaltiger naturschutz- und tierschutzkonformer Nutzung dieser Tiere, erklärt er weiter-hin.

Fazit: Naturforschern zufolge sind Nutrias in den meisten Fällen eher friedliebende Tiere, außer sie fühlen sich bedroht. Außerdem übertragen Nutrias erwiesenermaßen keine speziellen Krankhei-ten. Eine Nutria allein wäre nicht in der Lage, den Flickschuteich zu unterwandern. Eine höhere Nutriaanzahl erhöht aber das Schadpotenzial insgesamt und macht es möglich, dass ganze Wege um den Teich herum absickern und die Vegetation stark beschnitten wird.

„Das Füttern sollte unbedingt unterlassen werden!

Mit der Förderung der Vermehrung der Tiere leistet man keinen positiven Beitrag für den Naturschutz“, stellt NABU-Referent Marcel Otte klar. Das Bundesamt für Umweltschutz rät daher, die Population konstant zu halten und eine weitere Ausbreitung einzudämmen.

Bilder

Foto: Niegripper Heimatverein-Christina Henckel
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