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„Wir haben ein massives Crystal-Problem hier in Burg“

Stadtgeschehen
  • Erstellt: 24.08.2019 / 13:06 Uhr von mz/pm
Sozialpädagogen, Erzieher und Jugendbetreuer der Jugendeinrichtungen im Landkreis Jerichower Land treffen sich in regelmäßigen Abständen, um in einer Fachkräftetagung über ihre Arbeit zu sprechen und dabei universell gültige Kernthemen zu behandeln. Eines dieser Treffen fand nun im DRK-Jugendclub „Zur alten Scheune“ in Hohenwarthe statt, teilte das DRK mit.

Die vom Landkreis organisierte Facharbeitsgruppe widmete sich dem Thema „Drogensucht und Drogenkonsum im Landkreis Jerichower Land“, deshalb waren auch Jan Eiglmeier von der Sucht- und Drogenberatungsstelle Burg und Tobias Rudolph (45) als Drogenpräventionskraft des DRK-Regionalverbandes Magdeburg-Jerichower Land e.V. zugegen. Eiglmeier nutzte die Gelegenheit die kumulierten Zahlen 2018 der Sucht- und Drogenberatungsstellen in Burg und Genthin vorzustellen und räumte gleichzeitig mit Rechtsmythen im Hinblick auf Besitz und Konsum von illegalen Drogen auf.

Die zwölf anwesenden Fachkräfte erfuhren so als erstes, dass es zwei Beratungsfachkräfte im Bereich Drogensucht für 90.000 Einwohner im Landkreis gibt. Dabei stellte Eiglmeier klar: „Drogensucht verändert dein Leben“, und konnte dafür auch Fälle nennen, die sicher Extrembeispiele darstellten. So berichtete er von einer 13-jährigen Schülerin, die, weil sie abnehmen wollte, Methamphetamin (Crystal Meth) konsumierte. In einem anderen Fall war es ein Siebenjähriger, der regelmäßig Cannabinoide zu sich nahm. Zwei Fälle, die den Jugendbetreuern und pädagogischen Fachkräften vor Augen führten, dass die Kinder und Jugendlichen in ihren Einrichtungen ebenfalls zu den Konsumenten und Abhängigen von legalen und illegalen Drogen gehören könnten.

Eiglmeier, der darauf hinwies, dass die Sucht- und Drogenberatung immer kostenfrei, anonym und freiwillig erfolgt, gab mit seinem Konsumprofil, welches regelmäßig von ihm und seinem Kollegen erstellt wird, weitere Hinweise, doch einmal genauer hinzuschauen, wie sich Kinder und Jugendliche in den entsprechenden Einrichtungen verhalten. „Unser Konsumprofil des letzten Jahres zeigt, dass bereits in den achten Klassen der Konsum der gesamten Paletten illegaler Drogen Alltag ist. Die Jugend will ausprobieren und hat dazu heute viel mehr Möglichkeiten als früher“, gab er zu verstehen.

Die Drogenprävention stellt deshalb ein wichtiges Feld dar, wie auch Tobias Rudolph vom DRK bestätigte. „Wenn Bedarf in den Einrichtungen besteht, komme ich auch gern vorbei und spreche mit den Jugendlichen“, bot er an.

Eigenmeiers Zahlen schienen zu bestätigen, dass Suchtberatung und Suchtprävention heute notwendiger sind, als noch in den letzten 30 Jahren. So verzeichneten die beiden Sucht- und Drogenberatungsstellen in Burg und Genthin im Jahr 2018 insgesamt 781 Klienten. 679 davon waren Betroffene, 102 Angehörige, 267 Beender und ganze 293 Neuzugänge. „Die Tendenz ist seit Jahren steigend“, fügte Eiglmeier bei der Vorstellung der Zahlen an.

Die Droge Nummer eins im Landkreis ist dabei noch immer der Alkohol. In Burg wurde dieser allerdings bereits durch die stimulierende Droge „Crystal Meth“ abgelöst.

„Wir haben ein massives Crystal-Problem hier in Burg“, bescheinigte Eiglmeier.

Und noch eine wichtige Information hatte er für die Fachkräfte: „Im Landkreis gibt es 30 Selbsthilfegruppen.“ Darunter befindet sich eine für Eltern konsumierender Kinder, die laut Eiglmeier einen sehr guten Ansatz verfolgt.

Sorgen macht ihm derweil die abnehmende Hemmschwelle der neuen Dealer-Generation, die selbst nicht mehr davor zurückschrecke mit Crystal Meth beträufelte Zigaretten an Grundschulen zu verteilen. „Früher war es bei den Dealern ein ungeschriebenes Gesetzt, dass Cannabis ab 16 Jahren und harte Drogen erst an 18-jährige verkauft werden, heute verkaufen die Kleinstdealer alles an jeden“, beschrieb er die Situation im Landkreis.

„Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, in der einem der Chef auf die Schulter klopft, wenn man 16 Stunden volle Leistung bringt. Woher diese Leistung kommt, darüber machen sich die wenigsten Arbeitgeber jedoch Gedanken“, beschrieb er die Zunahme der Drogenkonsumenten.

Die gliedern sich nach seiner Statistik zu jeweils gleichen Anteilen in Arbeitssuchende und Arbeitnehmer/Selbstständige. Mittlerweile gehören aber auch gut zehn Prozent der Schüler und Studenten zu den regelmäßigen Konsumenten von illegalen Drogen. „Das wird immer mehr“, so Eiglmeier.

Die Chance für die Mitglieder der Facharbeitsgruppe auf Konsumenten von legalen und illegalen Drogen in den Jugendeinrichten zu treffen steigt also. Deshalb waren die Beantwortung der Fragen nach der juristischen Bewertung von Situationen und der richtige Umgang in diesen notwendig. Eiglmeier und Rudolph gaben hier zu verstehen: „Besitz, Weitergabe und Anbau von illegalen Drogen sind laut Betäubungsmittelgesetz verboten, der Konsum jedoch ist erlaubt.“ Auch die Eigenbedarfsgrenze liegt im Land Sachsen-Anhalt bei sehr liberalen sechs Gramm pro Person. Was allerdings viele Konsumenten nicht wüssten, so Eiglmeier: „Werden sie erstmalig mit einer Kleinstmenge illegaler Drogen erwischt, bleibt dies meist staatsanwaltlich straffrei, jedoch wird auch die Führerscheinstelle informiert und die ist im Landkreis bei Drogendelikten sehr streng.“

Neben einer Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) wird auch der Eintrag in das Führungszeugnis empfohlen. Damit verbunden sind Kosten von etwa 2000 Euro und ein eventueller Führerscheinverlust. „Das trifft die Jugendlichen, die mit dem Moped oder Auto unterwegs sind, dann doch hart und unvorbereitet. Da fließen oft Tränen“, erklärt Eiglmeier. Die Jugendbetreuer, Sozialpädagogen und Erzieher sahen aber auch in einem anderen Konsumtrend eine Gefahr, die Eiglmeier und Rudolph gleichermaßen bestätigten. Den Konsum sogenannter Energie-Drinks. Für Rudolph ist hier eine sofortige Präventionsarbeit notwendig und auch Eiglmeier bestätigte: „Die sogenannten Booster sind Stimulanzien, die irgendwann von illegalen Drogen wie Crystal Meth abgelöst werden können. Aber auch so birgen sie mit ihren Wirkstoffen Taurin und Koffein bei erhöhtem Konsum eine deutliche Gefahr für die Gesundheit und ein Suchtpotenzial.“

Bilder

Fachkräftegruppe 1, Fachkräftegruppe 2 – Im DRK-Jugendclub „Zur alten Scheune“ in Hohenwarthe hielt Jan Eiglmeier von der Sucht- und Drogenberatungsstelle Burg einen Vortrag. Foto: DRK/Christian Luckau
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