Es ist zugig auf dem Burger Ostfriedhof. Ein Spalier aus Fackelträgern säumt den Weg zum Grab von Carl und Marie von Clausewitz. Das Feuer erhellt den Weg in einem warmen Licht. Das Kreuz mit dem bekannten Namen ist in der Dunkelheit schemenhaft zu erkennen. Es hat seine besten Tage sicher schon hinter sich, das wissen alle hier vor Ort. Vor allem die Mitglieder des Clausewitz-Vereins Burg, die sich um dessen Erhaltung bemühen.
Vor 192 Jahren ist Carl von Clausewitz der preußische Generalmajor, Philosoph und Militärreformer, dessen Bücher und Werke weltweit gelesen und noch immer studiert werden, in Breslau mit nur 51 Jahren verstorben. 1971 wurden er und seine Frau in seine Geburts- und Heimatstadt Burg überführt und dort zur letzten Ruhe gebettet. Seitdem sind das Grabkreuz und die Grabplatte der Witterung ausgeliefert und die Namen derer, die Burg in aller Welt bekannt machen, verblassen. Für die Clausewitz-Freunde ein unhaltbarer Zustand, deshalb sind Fördermittel zur Restauration und zur Errichtung eines Wetterschutzes beantragt. Es ist die Treue zur Tradition der Stadt, die die Clausewitz-Freunde und die Stadt Burg selbst aktiv werden lässt.
Kränze zu Ehren des größten Sohnes der Stadt
Doch zurück zur Kranzniederlegung. Es ist kühl auf dem Burger Ostfriedhof, doch alle Anwesenden lassen sich diese Kälte nicht anmerken. Die Ehrerbietung des größten Sohnes der Stadt Burg lässt dies nicht zu. Die Kränze werden an den Fackelträgern vorbei und vor das Kreuz getragen. Es herrscht andächtige Stille. Jeder gedenkt für sich, während die Fackelträger in soldatischer Manier stillstehen. Sie sind Teil des Logistikbataillons 161 aus Oldenburg, das mit dem Logistikbataillon 171 Sachsen-Anhalt verbunden ist. Dessen Soldaten und der Kommandeur des Logistikregimentes 1, Oberst Christoph Schladt befinden sich derzeit in einer Übung.
Oberst Schladt, der bereits zum zweiten Mal nach 2006 in Burg stationiert ist, wollte das würdige Denken der letzten 22 Jahre fortführen und lud die Soldaten aus Oldenburg zur Teilnahme und Ausgestaltung der Gedenkfeier ein. Er ließ es sich selbst nicht nehmen, eine Auszeit von der Übung zu nehmen, um die, wie er sagte, große persönliche Ehre zu haben, der Gedenkzeremonie beizuwohnen, die dem Mann galt, dessen Name die Burger Kaserne und damit sein Dienstort trägt.
Einige Worte werden noch nach der Kranzniederlegung gesprochen. Es sind nicht viele, denn an diesem Abend soll einem weiteren Mann Ehre erwiesen und Worte auf ihn gesprochen werden. Es ist der Preisträger des diesjährigen Carl-von-Clausewitz-Preises der Stadt Burg.
Preisträger 2023: Einer der ersten Stunde
Im Konferenzraum der Stadthalle Burg versammeln sich jene, die zuvor noch auf dem Ostfriedhof standen. Es ist eine Mischung aus zivilen Jacketts und Uniformen, die sich an den Tischen einfindet. Unterhaltungen über Clausewitz, über anstehende und abgeschlossene Projekte, über die Clausewitz-Erinnerungsstätte, im einstigen Geburtshaus des Carl von Clausewitz und über die Clausewitz-Ausstellung in der Clausewitz-Kaserne Burg, werden geführt. Alle warten auf den Mann des Abends, der von seinen Freunden nur liebevoll Hansi genannt wird und dessen Name in Burg beinahe jeder kennt.
Es ist Hans-Georg Dräger (94). Kurz nach 18 Uhr kommt er durch die Tür. Im Rollstuhl sitzend wird er von seiner Tochter und seiner Enkelin in den Konferenzraum geschoben. Die Gesichter der Gäste erhellen sich, als der ehemalige Studienrat in den Raum kommt. Als Preisträger des diesjährigen Carl-von-Clausewitz-Preises der Stadt Burg ist er der zweite Mann des Abends. Dann tritt Burgs Bürgermeister, Philipp Stark, an das Mikrofon begrüßt offiziell noch einmal alle Anwesenden und beginnt seine einführenden Worte mit einem Rückblick auf den Perspektiv-Work-Shop zur Belebung der Innenstadt.
Nicht ohne Grund, denn dort hatte es den Vorschlag gegeben, die Stadt Burg zukünftig als Clausewitz-Stadt zu vermarkten. Stark meinte dazu: „Ich finde es eine sehr interessante Idee, die es in Zukunft mit den Bürgern zu besprechen gilt. Vielleicht wird sich daraus etwas entwickeln. Es gibt ein Ziel, dass erreicht werden kann. Wir sollten Clausewitz und seine Rolle in den kommenden Jahren wieder mehr in den Fokus rücken und die Geschichts- und Traditionspflege unserer Stadt zentraler platzieren.“ Applaus!
Stark bedankte sich noch bei Bundeswehr, die seit vielen Jahren maßgeblich bei der Kranzniederlegung zum Todestag des Carl von Clausewitz unterstützt, dann übergibt er an den Vorstand der Forschungsgemeinschaft Clausewitz – Burg e.V. Rolf-Reiner Zube. Er hielt die Laudation auf den diesjährigen Preisträger und lies das Werk von Hansi, wie er Hans-Georg Dräger nannte, Revue passieren. Denn nicht nur, dass Dräger maßgeblich am Aufbau und der fachlichen Entwicklung der Clausewitz-Erinnerungsstätte beteiligt war und ist, Dräger hat sich vor allem im Bereich der Transkription alter Briefe und damit um neues Wissen in der Clausewitz-Forschung verdient gemacht.
Als der Freundeskreis Carl von Clausewitz vom Geheimen Staatsarchiv in Berlin über 180 Briefe der Marie von Clausewitz erhielt, war es Hans-Georg Dräger, der diese aus dem schriftlichen Sütterlin in die heutige lateinische Schrift transkribierte. Dräger, der diese als Kind und Schüler noch selbst gelehrt bekam, ist damit einer der wenigen noch in Deutschland lebenden Personen, die diese alte Handschrift lesen und damit übersetzen können. Seine mehrjährige Arbeit der Übersetzung der vielen Briefe findet sich nun auf 800 DIN-A4 Seiten in der städtischen Clausewitz- Erinnerungsstätte und brachte viele neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Verhältnis zwischen Carl und seiner Frau Marie, sowie über das clausewitzsche Denken zur Politik der damaligen Zeit.
Damit nicht genug, Zube skizzierte in seiner Laudatio den Weg Drägers vom Lehrer, der bereits mit seinen Schülern in einer Historiker AG das Leben von Clausewitz in Burg nachverfolgte, bis zu seiner Tätigkeit als Restaurator einer Clausewitz-Büste, die es nur zwei Mal gibt. Einmal in der Clausewitz-Kaserne Burg und einmal in der Clausewitz-Erinnerungsstätte in Burg. Einer der beiden, die von einem Magdeburger Künstler geschaffen wurden, wäre beinahe vernichtet wurden. So schloss sich durch die Laudatio Kreis eines Lebenswerkes, das nach dem Preisträger selbst nur deshalb so reichhaltig sein konnte, weil ihm das Leben bisher so viele Jahre schenkte.
Mit der Überreichung des Clausewitz-Preises an Hans-Georg Dräger, durch Philipp Stark, galt dem Preisträger das letzte Wort. Er bedankte sich für die Ehre und sah sich selbst in guter Gesellschaft von Ausgezeichneten. Und weil Hans-Georg Dräger ist, wie er ist, hatte er noch einen kleinen Scherz auf den Lippen. „Das ich gut bin, weiß ich alleine“, sagte er und brachte alle Anwesenden zum Lächeln. Der kleine Schreckmoment für die Gäste, nachdem Dräger von einem Sturz und einer Behandlung noch am Mittag berichtete, war da schnell überwunden. Und dann holte er einen der Brief hervor, die in über eine Lange Zeit beschäftigten. „Es machte mir Freude diese Briefe zu lesen, denn ihre Inhalte waren stets ergreifend“, erklärte er und begann vorzulesen. So, wie es sich für einen Lehrer und Studienrat a.D. gehört.